Bereits 1989 forderte die Richtlinie 89/391/EWG eine verbindliche gesundheitliche Prävention am Arbeitsplatz. 1996 wurde dies Vorgabe endlich auch durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in Deutschland umgesetzt. Sie verpflichtet Unternehmen, die Gesundheit von Beschäftigten systematisch zu schützen.
Der Betriebsrat der damaligen ABB Kraftwerke AG in Mannheim verlangte noch im selben Jahr die Umsetzung des ArbSchG vom Vorstand der Firma ein – und lief gegen eine Wand.
Mit allen möglichen Tricks versuchte das Management mit Unterstützung von Südwestmetall, den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu verzögern.
Erst am 10.10.2000 kam es kam es bei dem inzwischen an Alstom verkauften Unternehmen zu einem wegweisenden Spruch der Einigungsstelle. Dessen Grundlage war der sehr gut durchdachte und detaillierte BV-Entwurf des BR (vgl. dazu https://soliserv.de/wp-content/uploads/2023/09/Einiungsstelle-Bildschirmarbeitsplaetze.pdf und die von der IGM Mannheim herausgegebene Broschüre Gesundheitsschutz muss erkämpft werden, Ein Blick zurück auf die Auseinandersetzungen bei Alstom Power Mannheim – und ein Blick nach vorne).
Alstom Power Mannheim wurde als erstes Unternehmen in der BRD zu einer ganzheitlichen Gefährdungsanalyse/-beurteilung (GFA/GFB) aller Arbeitsplätze verpflichtet. Medien berichteten bundesweit über dieses Ereignis: „Sieg für Alstom Betriebsräte ─ Beteiligung bei Gefährdungsanalyse erstritten“ (MM vom 19.10.2000). Der IGM-Vorstand schickte an alle örtlichen Verwaltungsstellen der Gewerkschaft den Einigungsstellenspruch mit der Aufforderung, diesem Beispiel nachzufolgen.
Ende 2000 startete der erste dreijährige Durchgang der GFA/GFB. Trotz der anfangs noch anhaltenden Blockadepolitik der Kapitalseite gelang es dem Alstom-BR schließlich eine auch heute noch vorbildliche Methodik eines vorbeugenden, systematischen Gesundheitsschutzes im Betrieb zu entwickeln.
Drei Ziele standen dabei im Zentrum:
1. Alle bestehenden Gesundheitsgefährdungen zu erkennen und durch Anwendung des STOP-Prinzips* zu beseitigen oder zumindest zu minimieren.
2. Alle Beschäftigten für Gesundheitsgefährdungen zu sensibilisieren und für die Beteiligung an einem aktiven Gesundheitsschutz zu gewinnen.
3. Allen Kolleg:innen eine fortlaufende Dokumentation sämtlicher Gefährdungen in ihrem Arbeitsleben zur Verfügung zu stellen, um die Anerkennung von Berufskrankheiten erfolgreich durchsetzen zu können.
Die Erfolge sprachen für sich. Bis zum Verkauf an GE im November 2015 gelang die Umsetzung von über 5.000 Einzelmaßnahmen im Bereich der physischen Gefährdungen. Auch im komplexeren Bereich der psychischen Gefährdungen gelang es, mit der Umsetzung von über 900 Einzelmaßnahmen spürbare Verbesserungen zu erreichen.
Der hartnäckige Kampf für Gesundheitsschutz bei Alstom Power hat bis heute Spuren in vielen anderen Betrieben hinterlassen.
* Das STOP-Prinzip legt die Rangfolge Schutzmaßnahmen fest: Substitution von Gefahrstoffen, Technische, Organisatorische und Persönliche Schutzmaßnahmen.